Gemeinderat

//Interview mit Bürgermeister a. D. Ulrich Maier//

Rückblick auf die Anfänge von „Rossini in Wildbad“ Vom 17. bis 27. Juli findet die 36. Auflage des Belcanto Opera Festivals „Rossini in Wildbad“...
Archivbild mit dem ehemaligen Bad Wildbader Bürgermeister Ulrich Maier zusammen mit dem Rossini-Orchesterleiter Carmine Carrisi und dem italienischen Botschafter Marcello Guidi im ersten Festivaljahr 1989.
Das Archivbild von Annemarie Kienzler zeigt den damaligen Bürgermeister Ulrich Maier zusammen mit dem Orchesterleiter Carmine Carrisi und dem italienischen Botschafter Marcello Guidi im ersten Festivaljahr 1989.Foto: Annemarie Kienzler

Rückblick auf die Anfänge von „Rossini in Wildbad“

Vom 17. bis 27. Juli findet die 36. Auflage des Belcanto Opera Festivals „Rossini in Wildbad“ statt. Unsere Mitarbeiterin Karin Ferenbach blickt in ihrem Interview mit Bürgermeister a. D. Ulrich Maier auf die Anfangsjahre der Festspiele zurück. Der heute 82-Jährige war 1989 deren Mitinitiator und einer der Gründungsväter der noch im selben Jahr gegründeten Deutschen Rossini Gesellschaft.

Was war der Auslöser, im Jahr 1989 ein Opernfest für Rossini in Wildbad zu etablieren?

Ulrich Maier: Die klassische Kur war damals der Gesundheitsreform zum Opfer gefallen und die Zukunftsperspektiven für die Heilbäder waren nicht besonders rosig. Es stellte sich die Frage, was die Stadt inhaltlich als neues Standbein stärken kann. In meinen Augen funktionierte das nur über einen kulturellen Ansatz. Die Stadt war für die Kultur jedoch nicht zuständig, sondern in erster Linie die staatliche Kurverwaltung mit dem Kurdirektor. Dem Staatsbad gehörten auch die entsprechenden Gebäude. Das Neue Eberhardsbad war aufgrund des Einbruchs bei den Kuren überdimensioniert. Die Planungen für den Meisterntunnel befanden sich in der Endphase. Der südliche Tunnelmund lag in einem Bereich, in welchem die Trinkhalle und das Kurtheater zum Abriss zur Disposition standen, um für das Bauwerk Platz zu schaffen. Doch es gab Widerstand aus der Bevölkerung, was zur Gründung des Fördervereins Kurtheater im Jahr 1987 führte, auch mit der Unterstützung von Justus Frantz. Doch im Zusammenhang mit einer umfassenden Sanierung und den dafür erforderlichen Zuschüssen stand die Frage nach einem Nutzungskonzept, also wie man das historische Gebäude langfristig mit Leben füllen kann.

Wie kam es dazu, dass sich ein Kreis von interessierten Förderern/Initiatoren für die Etablierung eines Festivals zusammenfand? Können Sie hier einige Namen nennen?

Ulrich Maier: Der erste Intendant Wilhelm Keitel kam aus Stuttgart. Er war Dirigent verschiedener Orchester, vor allem mit jungen Musikern. Er hat den Gedanken einer Etablierung von Kultur im Kurtheater aufgegriffen und Programme mitentwickelt, zumal der Förderverein etwas überfordert war. Entscheidend für die Umsetzung war die Frage nach der langfristigen Trägerschaft für dieses Vorhaben. Keitel wusste, dass Rossini in Wildbad zur Kur war. Man hatte bisher aber keinen Nachweis und ging der Sache nach. Margarethe Bott und Heidi de Salazar entdeckten schließlich einen Eintrag im Archiv des Staatsbades, wonach Rossini im Juni 1856 zur Kur nach Wildbad kam. Damals wusste man in Wildbad noch nicht viel von Rossini, im Vergleich zu Pesaro, seiner Geburtsstadt. Wilhelm Keitel hat das Thema „Rossini“ dann aufgegriffen und eine erste Konzertreihe zusammengestellt. Sein Bemühen ging auch in die Richtung, die weniger bekannten Werke des italienischen Komponisten in Bad Wildbad wieder aufleben zu lassen. Im Gemeinderat wurde dann mit einer Gegenstimme beschlossen, dass die Stadt als Veranstalter auftritt und eine Bürgschaft in Höhe von 100.000 DM für die angesetzten Kosten von rund 400.000 DM übernimmt. Dann ging es an die Umsetzung. Auf der Grünen Woche in Berlin bin ich mit dem italienischen Landwirtschaftsminister Calogero Mannino ins Gespräch gekommen. Ich habe ihm von dem geplanten Festival berichtet und dass man dazu italienische Spezialitäten anbieten könnte. So entstand 1989, parallel zum ersten Festival, ein von der italienischen Außenhandelsvertretung in Düsseldorf organisierter und finanzierter italienischer Markt im Kurpark. Unter anderem mit den Gastgebern Carmelo Caruso, Familie Munde und Café Bechtle fand im Hofgarten eine Italienische Nacht statt, die sehr gut ankam. Dr. Rüdiger Krüger, damals Leiter der noch eigenständigen Volkshochschule Oberes Enztal, wurde von der Kommune mit der Organisation des Festivals beauftragt. Keitel blieb weiterhin der künstlerische Leiter. Er musste hochwertige Sänger und Musiker rekrutieren und deren Unterbringung und Verpflegung organisieren. Mit Unterstützung vieler ehrenamtlicher Kräfte des Fördervereins Kurtheater und aus der gesamten Bevölkerung konnte das leerstehende Hotel „Quellenhof“ dafür eingerichtet werden. Aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Versorgung der Künstler nahm Annemarie Kienzler diese in die Hand und hat verstärkt mit den örtlichen Leistungsträgern kooperiert. Das ist ein hoher Verdienst von ihr in den Anfängen des Festivals.

Was waren die größten Hindernisse/Herausforderungen in den Anfangsjahren?

Ulrich Maier: Die ersten Aufführungen vom 28. Juli bis 6. August 1989 waren eine gelungene Sache. Dann folgte das Programm für 1990, im Vergleich noch anspruchsvoller mit Opern, Ballett, Konzerten und Arienabenden. Die Haushaltsmittel von 1989 haben nicht ausgereicht, was sich mitten in den Vorbereitungen für das Festival 1990 herausstellte. Der Gemeinderat genehmigte dann 200.000 DM an Bürgschaft und suchte auf breiter Front nach Sponsoren, was allerdings nicht sehr ergiebig war. Dass die städtischen Mittel für das zweite Rossini-Festival im August 1990 erneut nicht ausreichten, ist wohl auch ein Grund dafür, dass ich bei der Bürgermeisterwahl im September desselben Jahres das Nachsehen hatte und nicht mehr gewählt wurde. 1991 kam es dann zum Eklat zwischen der Stadt und Wilhelm Keitel. Der künstlerische Leiter legte sein Amt nieder. Volker Brache übernahm von Seiten der Kommune interimistisch die Organisation im Jahr 1991. Dann kam Jochen Schönleber ins Spiel, der bis heute als Intendant fungiert und mit der Frage einer Weiterführung umgehen muss. Immer wieder war das Festival im Gemeinderat umstritten. Nach meiner Abwahl habe ich mich da aber nicht mehr eingemischt.

Inwieweit hat die Gründung der Deutschen Rossini Gesellschaft (DRG), an der Sie maßgeblich beteiligt waren, dem Festival zusätzliche Aufmerksamkeit geschenkt?

Die Deutsche Rossini Gesellschaft wurde am 26. Juni 1989 in Bad Wildbad gegründet und hatte dort auch ihren Sitz, bis Wilhelm Keitel diesen bei seinem Ausscheiden mit nach Stuttgart nahm. Die Gründung des Vereins erfolgte auf Anregung von Keitel, denn es war in Deutschland nicht unüblich, dass man sich verschiedenen Komponisten auch in wissenschaftlicher Form widmete. In Pesaro gab es mit der „Fondazione Rossini“ bereits etwas Vergleichbares und es gibt bis heute eine Zusammenarbeit. Zur Gründungsversammlung im Hotel Bären (heute Hotel Rossini) kamen etwa zehn Personen zusammen. Der Dirigent Gustav Kuhn aus Erl/Tirol wurde zum Ersten Vorsitzenden, Wilhelm Keitel zum Zweiten Vorsitzenden gewählt. Auch der damalige Vorsitzende des Fördervereins Kurtheater, Eckhard Peterson, gehörte dem Vorstand an. Ich übernahm den Posten des Schatzmeisters und der Kurdirektor Gernot Wendlandt das Amt des Schriftführers. Die DRG hat nicht nur die Aufgabe gehabt, Rossini in Wildbad zu unterstützen, sondern vor allem das Leben und Werk Rossinis deutschlandweit zu erforschen.

Und welche Rolle spielt der Freundeskreis Rossini in Wildbad?

Ulrich Maier: Im Jahr 2005 kam es zur Gründung des Freundeskreises Rossini in Wildbad mit unter anderem dem Ziel, prominente Leute und private Institutionen als Mitglieder und Sponsoren zu gewinnen, was jedoch sehr mühsam war. Etwa 10.000 Euro an Sponsorengeldern kamen pro Jahr zusammen. Durch eine Erbschaft hat der Verein heute etwas mehr Geld, doch stellt sich hier die Frage, ob diese Mittel direkt in die Produktionen oder auch in das Kurtheater als Lieblingsspielstätte des Festivals fließen. Ich war eine Zeit lang etwas reserviert gegenüber dem Förderverein und seiner Berechtigung, heute bin ich Zweiter Vorsitzender. An der Spitze stand bisher immer der Bürgermeister der Stadt Bad Wildbad, aktuell ist das ja Marco Gauger. Der ehemalige Calwer Landrat Werner Köblitz war lange Jahre Zweiter Vorsitzender und es ist dessen besonderer Verdienst, dass der Haushalt der Stadt in schwierigen Zeiten genehmigt wurde. Die ersten Veranstaltungen von „Rossini in Wildbad“ fanden im Kurhaus statt. Bereits im Jahr 1990 konnte erstmals eine Aufführung mit dem Stuttgarter Ballett in der Trinkhalle ausgerichtet werden. Der im Jahr 2003 gegründete Förderverein Trinkhalle hat diese später übernommen.

Beschreiben Sie doch mal kurz die Stimmung, die in den Anfangsjahren vorherrschte.

Ulrich Maier: Die Euphorie in den Anfangsjahren und auch das Echo – nicht zuletzt in der internationalen Presse – waren groß. Auch die Resonanz seitens der Künstler war gut und sie fühlten sich wohl. Am Anfang waren die örtlichen Geschäfte und Handwerksbetriebe noch mehr eingebunden, zum Beispiel mit speziellem Rossini-Gebäck oder ganzen Menüs. Wie bei vielem, wenn man etwas Neues macht, ist man begeistert und engagiert sich. Aber bis heute steht auch die finanzielle Seite eines solchen Opernfestivals im Mittelpunkt. Und Bad Wildbad hat ja auch noch viele andere Baustellen.

Können Sie sich auch persönlich für die Musik von Rossini und die Oper begeistern oder haben Sie (noch) andere Vorlieben?

Ulrich Maier: Ich bin bis heute Mitglied in der DRG, kann jedoch bei den Rossini-Experten des Vereins nicht mitreden. Ich höre gerne Rossini, Bach liegt mir aber näher am Herzen, auch Friedrich Silcher mit seinen Vertonungen. Ich schaue auf den Charakter des Gesangs, bei Rossini gefällt mir der Belcanto-Stil. Überhaupt gilt meine Vorliebe dem Gesang, und ich war schon seit meiner Jugend in verschiedenen Gesangsvereinen und Kirchenchören aktiv. Heute singe ich noch in der Wildbader Kantorei. Für ein Instrument war ich zu faul. Ich habe mal für kurze Zeit im Posaunenchor Flügelhorn gespielt.

Was zeichnet das Festival aus Ihrer Sicht heute aus und wie schätzen Sie seine Zukunft ein?

Ulrich Maier: Ich sehe das Festival nach wie vor als ein tolles Aushängeschild für Bad Wildbad mit großer, weltweiter Resonanz. Klar, es muss sich weiterentwickeln. Das liegt in den Händen des Intendanten. Neue Ansätze sind schon erkennbar, z. B. die speziellen Kinderkonzerte. Man sollte beweglich bleiben in aller Breite, es muss nicht nur Rossini sein. Eine große Aufgabe besteht mehr denn je darin, die Bevölkerung der Kurstadt zu erreichen und das Ganze näher an das Volk zu bringen. Ein erster Ansatz war die Bank beim Rossini-Brunnen, wo dessen Musik abgespielt wird. Denkbar wären auch öffentliche Auftritte von Sängerinnen und Sängern der Akademie BelCanto in der Fußgängerzone oder ähnliche Initiativen.


Bitte separaten Abschnitt für den folgenden Text zur Biografie:

Ulrich Maier wurde 1943 in Stuttgart geboren. Nach der Schulzeit absolvierte er von 1961 bis 1966 eine Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst. Danach arbeitete er als Fachbeamter für das Finanzwesen in der Gemeinde Großaspach und als persönlicher Mitarbeiter des Finanzbürgermeisters der Stadt Backnang. 1969 wurde er im Alter von 25 Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde Calmbach gewählt. Nach der Fusion von Bad Wildbad und Calmbach war Maier von 1974 bis 1990 Bürgermeister der Stadt Bad Wildbad. Ab 1991 arbeitete er im Rahmen des „Expertenservices Sachsen II“ in der Beratung sächsischer Kommunen und gründete im Oktober 1991 ein Kommunalberatungsunternehmen, das er bis 2013 betrieb. Von 1970 bis 1994 war er Mitglied des Kreistages Calw sowie von 1970 bis 1991 Vorsitzender der Volkshochschule Oberes Enztal. Ab 1985 bis 1991 war der Kommunalpolitiker für mehrere Jahre Präsident der Forstkammer Baden-Württemberg. Vom 3. Juli 1990 bis zum 25. Juni 1992 war er Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates. Maier war 1989 maßgeblich an der Entstehung des Belcanto-Festivals „Rossini in Wildbad“ beteiligt und ist Gründungsmitglied der im selben Jahr in Bad Wildbad entstandenen Deutschen Rossini Gesellschaft e. V. Er war seit 1969 verheiratet mit Renate Maier, geb. Hartmann (1943–2023). Das Paar hat vier Kinder.

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exklusiv online
von Stadt Bad WildbadRedaktion NUSSBAUM
10.07.2025
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