Vier Jahre später nahm Wilhelm Dürr mit dem 1. Badischen Leibgrenadier-Regiment Nr. 109 während des Deutsch-Französischen Krieges auch an dem für die Badener verlustreichen Gefechtes bei Nuits teil, wo er verwundet wurde. Am 01.03.1896 wurde er nach erfüllter Dienstzeit von 32 Jahren in Ehren aus dem Wehrdienst entlassen. Seit dem 16.09.1869 war mit der aus Eggenstein stammenden Karoline Stern (OSB Egg 4905.6) verheiratet. Das Paar hatte vier überlebende Kinder. Wilhelm Dürr starb am 5. Dezember 1910 in Eggenstein. Dass dieser Soldat während des Feldzuges 1866 und während des Krieges 1870/71 einen Talisman bzw. ein Breverl mit christlichen Motiven auf der Brust getragen hatte, war schon dem Vater von Reinhard Dürr bekannt, der den Brustbeutel im Nachlass seines Großvaters gefunden und sorgfältig aufbewahrte.
Dass diese in mehrfacher Hinsicht bedeutsamen Zeitzeugnisse in die Ausstellung des Heimatmuseums gelangten, verdanken wir dem Ehepaar Reinhard und Monika Dürr aus Eggenstein, die die Bedeutung des Nachlasses erkannten. Zum einen als Beweis dafür, dass auch evangelische Soldaten solche Schutzbriefe getragen hatten, zum anderen wegen des erstaunlich hohen Alters der in den Breverln erhaltenen Schutzbriefe. Die Druckplatten für die Holzschnitte der Briefe dürften noch vor dem Jahr 1770 entstanden sein und repräsentieren zwei unterschiedliche Bildtypen. Bei dem einen Blatt, das neben dem Weltenherrscher und verschiedenen Heiligen eine Maria von Steinbach als Schmerzensmutter zeigt, ist die Herkunft aus Steinbach bei Bühl möglich. Bei dem zweiten Blatt ist neben einem lateinischen Gebetstext ein längerer deutscher Text als Bilderklärung beigefügt. Dargestellt sind die Wundmale Christi und verschiedene Kreuzdarstellungen mit scheinbar hebräischen und unklaren lateinischen Buchstabenkombinationen und -texten. Der deutsche Text am unteren Rand des Blattes weist auf die Heiligen Wunden unseres Herrn JesuChristi hin und versprechen dem andächtigen Betrachtenden jeden Schmerz zu verhindern und außerdem ihn so vor allen Gefahren beschitzet und behiethet zu werden. Auf einem dritten Blatt findet sich ein Kommentar zum Johannes-Evangelium in lateinischer Sprache.
Da das Tragen von Amuletten eine sehr private, intime - oft sogar tabuisierte -Angelegenheit war, sind kaum noch vergleichbare originale Stücke erhalten. Die meisten Textil- und Papier-Materialien befanden sich durch die lange Tragezeit am Körper oft in einem recht schlechten Zustand und gingen deshalb verloren. Dass sich in unserem Fall die Schutzbriefe und sogar ein originaler Brustbeutel erhalten haben, ist eine kleine Sensation. Nicht einmal in den Sammlungsbeständen des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe findet sich ein vergleichbares Exponat, das wiederum für die tiefe Religiosität und das Gottvertrauen seines Trägers spricht.
Wolfgang Knobloch