An der Fünf-Täler-Schule in Bad Wildbad gehört das Bewerbungstraining inzwischen fest zum Schuljahr. Seit 15 Jahren läuft das Planspiel am Standort Jahnstraße – und begeistert jedes Jahr Schüler und Betriebe gleichermaßen. In dieser Woche nahmen 100 Acht- und Neuntklässler aus der Werkreal- und Realschule teil. Zwei Tage lang standen Bewerbungsgespräche, Eignungstests und persönliches Feedback auf dem Stundenplan. Die Klassenzimmer wurden kurzerhand zu Personalbüros umfunktioniert.
16 Firmen, Institutionen und Behörden aus der Region beteiligten sich und schickten ihre Ausbildungs- oder Personalverantwortlichen an die Schule – vom Modehaus Bertsch über Heinrich Schmid und Edeka Fedele bis zur Polizei. Viele hatten die Bewerbungsunterlagen der Schüler bereits vorab gesichtet, denn die Mappen waren spätestens vor den Pfingstferien fertig und wurden von den Deutschlehrkräften intensiv begleitet. Ziel war, dass jeder Schüler vier bis fünf Gespräche führt – manche übertrafen das deutlich. Julia etwa hatte gleich acht Termine.
Andro Celina, bei Edeka Fedele für die Azubis zuständig, zeigte sich besonders vom Donnerstag überzeugt: „Heute war es sehr gut. Das Interesse war größer als gestern, die Schüler gut vorbereitet, die Mappen ordentlich und auch das Outfit hat meistens gepasst.“ Sein Tipp an die Jugendlichen: „So selbstbewusst wie möglich auftreten und sich die Sicherheit vom Gegenüber nicht nehmen lassen.“ Auch Dominik Leibig von Heinrich Schmid lobte die Jugendlichen: „Viele wissen sich zu benehmen, die Noten sind passabel bis gut.“ Er sprach offen über Optimierungsmöglichkeiten, etwa bei der Körpersprache. In seiner Firma gibt es Ausbildungsplätze für Maler- und Lackierer, Trockenbaumonteure, Bodenleger oder auch duale BWL-Studiengänge im Handwerk.
Nadine Mössinger vom Modehaus Bertsch in Schömberg war beeindruckt von den Werkrealschülern: „Da waren richtige Persönlichkeiten dabei, mit realistischen Zielen.“ Mit einigen tauschte sie sogar Handynummern aus – mit Blick auf ein mögliches Praktikum. „So etwas kann ein Anfang für eine spätere Ausbildung sein“, meinte sie. Ihre Einschätzung: „Das war für beide Seiten gut – erst mal schnuppern, bevor man sich festlegt.“
Auch die Schüler zogen ein positives Fazit. Lenny meinte: „Es hat Spaß gemacht, die Rückmeldungen waren hilfreich.“ Giuseppe, der erst seit kurzem in Deutschland lebt, sagte selbstbewusst: „Die Sprache war kein Problem.“ Nele berichtete, wie ihr Selbstvertrauen mit jedem Gespräch wuchs: „Nachdem man das erste Gespräch hinter sich hatte, ging alles viel leichter.“ Julia, mit acht Gesprächen Spitzenreiterin, hätte sich zwar kürzere Wartezeiten gewünscht, war aber insgesamt sehr zufrieden. Mia war von einer Frage überrascht: „Ich sollte sagen, welcher Gegenstand mir besonders wichtig ist“ – wie sie später erfuhr, eine beliebte Eisbrecher-Frage der Betriebe, um locker ins Gespräch zu kommen.
Für die Organisation waren die Schulsozialarbeiter Lisa Arp und Daniel Bauer verantwortlich, unterstützt von Konrektorin Tanja Insinna, die auch die Klasse 9e in Englisch unterrichtet. Zentraler Bestandteil des Tages war der sogenannte Checkpoint – eine Anlaufstelle vor und nach den Gesprächen, betreut von Lisa Arp, Daniel Bauer und der Berufsberatung Nagold. Dort konnten die Schüler sich sammeln, letzte Tipps einholen oder über ihre Eindrücke sprechen.
Direkt nach jedem Gespräch gab es Feedback von den Personalverantwortlichen – zu Auftritt, Kleidung, Verhalten, Ausdruck und Gesamteindruck. Die meisten Gespräche dauerten etwa 15 Minuten, länger als 30 Minuten war kaum jemand im Raum. Das Bewerbungstraining ist nicht nur Praxisübung, sondern eine wertvolle Erfahrung im geschützten Rahmen – aber mit echten Menschen aus der Arbeitswelt.
Für Tanja Insinna war der Tag wieder ein voller Erfolg: „Das ist einer der schönsten Tage im Jahr. Die Menschen aus den Firmen haben sich für euch Zeit genommen. Ich hoffe, dass es nachhaltig wirkt.“ Sie betonte, dass sich der Arbeitsmarkt verändert habe: Heute gebe es viele offene Ausbildungsplätze – entscheidend sei, dass Jugendliche überhaupt wissen, in welcher Branche sie sich eine Zukunft vorstellen könnten. „Dafür ist dieser Tag ideal. Die Schüler können sich unbefangen ausprobieren.“
Die Berufsorientierung an der Fünf-Täler-Schule beginnt früh. Bereits in Klasse 6 machen die Schüler erste Praktika. Später folgen Aktionen wie „Mitmachen Ehrensache“. Das Projekt trägt das Qualitätssiegel „BORIS“ und wird mit langem Vorlauf organisiert – bereits im September beginnen die Vorbereitungen für das kommende Jahr. Wichtig ist laut Tanja Insinna auch die Unterstützung von Eltern: „Die Kinder müssen geführt werden. Das fängt beim Üben zu Hause an – und auch das passende Outfit sollte besprochen werden.“
Der Zuspruch von Firmen wächst stetig – ein Zeichen, dass das Konzept überzeugt. Viele Betriebe sehen die Notwendigkeit, früh mit möglichen Bewerbern ins Gespräch zu kommen. Für 2026 ist bereits die nächste große Berufsmesse in der Enztalhalle geplant. Dann wird der direkte Draht zwischen Schule und Wirtschaft noch einmal größer aufgezogen.
Ein herzlicher Dank der Schule ging zum Abschluss an alle beteiligten Unterstützer: Berthold Technologies, Polizei, Stadt Bad Wildbad, Hotel Rothfuß, Edeka Fedele, Bäckerei Raisch, Hapema, Schneeberger, Kinderklinik Schömberg, Sparkasse Pforzheim-Calw, Landratsamt Calw, Modehaus Bertsch, Heinrich Schmid, Volksbank, Medentika, Holzbauwerk Seewald und der Wildpark Pforzheim. Sie alle trugen dazu bei, dass die Jugendlichen an diesen beiden Vormittagen mehr lernten als jeder Vortrag je vermitteln könnte – nämlich, wie man sich zeigt, wie man sich präsentiert und wie man Schritt für Schritt ins Berufsleben startet. Oder, wie es Nele treffend sagte: „Man wächst rein – Gespräch für Gespräch.“ (mm)